Jahresbericht Diskriminierung/Diversität 2012: Zusammenfassung

Das Alter im Fokus: ein Schutz- oder Ausschlusskriterium?

Die Europäische Union hat das Jahr 2012 zum „Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen“ ausgerufen. Dementsprechend hat das Zentrum seine Arbeit vorrangig auf dieses Thema ausgerichtet, wie es im Übrigen im Strategieplan 2011-2013 vorgesehen war. Insofern ist es auch verständlich, dass der „Fokus“ des Jahresberichts Diskriminierung/Diversität 2012 sich diesem Thema widmet.

Beim Alter handelt es sich nicht um ein Diskriminierungsmerkmal wie alle anderen. Intuitiv betrachten viele die Diskriminierung aufgrund des Alters als moralisch weniger gravierend als zum Beispiel die gender- und herkunftsbedingte Diskriminierung. Während bei diesen beiden Merkmalen eindeutig eine Besonderheit vorliegt, durchlaufen alle von uns sämtliche Lebensalter. Ist es nicht „normal“, wenn wir unterschiedlich behandelt werden, ob „jung“ oder „alt“ – eine zudem relative Kategorienaufteilung? Sollte aber ein gerechtes Sozialsystem sich nicht nur um die Gleichheit zwischen Altersklassen, sondern auch und vor allem zwischen Geburtskohorten kümmern (in dem Fall erscheint Gleichheit unter dem Gesichtspunkt „vollständigen Lebens“)? 

Vielleicht ist das Alter ein besonderer Grund für Diskriminierung, es weist aber ebenso gemeinsame Züge mit anderen Diskriminierungsmerkmalen auf. Zuallererst ist das Alter von den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten durchquert und mit Macht verbunden. Die Macht der Älteren zum Beispiel, die Minderjährigen als 'unfähig' zu erklären, stellt tatsächlich in bestimmten Situationen einen Schutz für sie dar, bringt sie aber auch zum Schweigen. Es wird angenommen, dass ein Jugendlicher den ihm zugewiesenen Platz kennt. Gleiches galt lange Zeit für die Geschlechterrolle: die Frauen hatten 'ihren Platz' zu kennen. Auch bei Behinderung ist immer wieder von der Sorge die Rede, sodass es vielen schwerfällt, behinderten Menschen Rechte zuzuerkennen, so zum Beispiel das Recht auf eine Beschäftigung. Gleiches gilt in Bezug auf die sogenannte 'Rasse': 32 % der Belgier finden eine unterschiedliche Behandlung akzeptabel. In allen Fällen meint eine Mehrheit über mehr Rechte als eine Minderheit zu verfügen, wobei diese Mehrheit ihre zahlenmäßige Überlegenheit benutzt, um eine Minderheit unterschiedlich zu behandeln.

Das Alter, ein komplexeres Merkmal?

Aus drei Gründen erscheint das Alter als ein komplexeres Merkmal als die anderen.

Einerseits handelt es sich um einen Diskriminierungsfaktor, andererseits wiederum um einen Schutzfaktor. Zahlreiche Rechte oder Maßnahmen sind bestimmten Altersgruppen vorbehalten, mit dem Ziel sie zu schützen. Auf dieser Idee basiert zum Beispiel das ganze Kinderrecht.

Auch ist das Alter ein strukturierendes Merkmal der Generationen und somit des Zusammenhalts zwischen den Generationen, der anthropologischen Grundlage jeder Gesellschaft. Nicht zufällig wurden diese beiden Problematiken von der Europäischen Union miteinander verbunden. Es gibt keine Gesellschaft ohne Verwandtschaftsbeziehungen, wodurch Eltern und Kindern unterschiedliche Plätze zugewiesen werden, oder ohne Bildungseinrichtungen, wodurch die Rollen zwischen Lehrern und Schülern, Älteren und Jüngeren, usw. festgelegt werden.

Schließlich führt jede Bewertung einer Altersgruppe zu den widersprüchlichsten Ergebnissen oder wirft zumindest eine unbegrenzte Anzahl von Fragen auf. Ist unter „aktives Altern“ das Bestreben nach einer Verlängerung der Arbeitszeit zu verstehen – und somit einer Revision des Rentensystems? Ist andererseits der „Jugendwahn“ nicht teilweise für die massiven Diskriminierungen der über 45-Jährigen am Arbeitsplatz verantwortlich?

Aus diesen drei Gründen zumindest hat das Zentrum sich mit dem Altersmerkmal beschäftigt, indem es der Komplexität der Fragestellungen bestmöglich Rechnung getragen hat. Deshalb soll hier nicht einseitig und endgültig Stellung bezogen werden. Unsere Arbeit versteht sich als Forschungsprojekt. Vor allem haben wir versucht, die Frage des Alters als Diskriminierungsgrund zu problematisieren.

Weiter unten können Sie die Zusammenfassung des Jahresberichtes herunterladen. Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.

Downloads

Vergleichbare Publikationen

4 Juli 2017

Evaluierung der föderalen Antidiskriminierungsgesetze (2017)

{title}

Artikel 52 des Antidiskriminierungsgesetzes schreibt eine Evaluierung der Anwendung und der Zweckmäßigkeit dieser drei Antidiskriminierungsgesetze durch die gesetzgebenden Kammern vor. Unia hat im Zusammenhang mit dem Antidiskriminierungs- und Antirassismusgesetz einen Evaluierungsbericht erstellt, der auf eigenen praktischen Erfahrungen, der bekannten belgischen Rechtsprechung und allgemeinem Fachwissen über die Bekämpfung von Diskriminierung beruht.