Auch 2022 noch unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten auf dem Arbeitsmarkt je nach Ihrer Herkunft

11 Oktober 2022

Die 5. Ausgabe des Sozioökonomischen Monitorings des FÖD Beschäftigung, Arbeit und soziale Konzertierung sowie des interföderalen Zentrums Unia zeigt, dass sich die Stellung von Personen ausländischer Herkunft auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren verbessert hat. Ihre Beschäftigungsquote jedoch liegt nach wie vor deutlich unter der Quote von Personen belgischer Herkunft, insbesondere im Vergleich mit unseren Nachbarländern. Die Covid-19-Pandemie hat die prekäre Stellung der Betroffenen noch einmal verdeutlicht. Inmitten Europas, in einem Land, das auf eine starke Tradition der sozialen Konzertierung zurückblickt und ein solides Antidiskriminierungsrecht handhabt, ist dies inakzeptabel. Das Problem lässt sich nur ganzheitlich und konzertiert lösen.

Der belgische Arbeitsmarkt hat sich von 2017 bis 2019 günstig entwickelt. So stieg die Beschäftigungsquote von 64,7 % im Jahr 2016 auf 67,1 % im Jahr 2019. Bei jeder Herkunft war ein Anstieg zu verzeichnen, auch wenn es hier gewisse Unterschiede gab.

Dieser neue Bericht zeigt leider immer noch eine ethnische Stratifizierung des Arbeitsmarktes und eine strukturelle Diskriminierung, mit der sich die Beschäftigungsaussichten für Personen ausländischer Herkunft verschlechtern. 

  • Bei gleichem Diplom und Studiengang finden Personen ausländischer Herkunft oft schwerer eine Arbeitsstelle. Auch wenn das Gefälle bei der Beschäftigungsquote gegenüber Personen belgischer Herkunft bei gleichem Diplom seit 2016 schwächer wird, fällt doch auf, dass dieses Gefälle immer noch sehr ausgeprägt ist im Fall eines Hochschuldiploms, das im Arbeitsmarktkontext bei einer Person ausländischer Herkunft in geringerem Maße zur Geltung kommt. Auch das Lohngefälle ist größer: 21,9 % der Personen ausländischer Herkunft mit Hochschulabschluss finden sich in den unteren Lohngruppen wieder, gegenüber 8,2 % unter Personen belgischer Herkunft.
  • Die Qualität der Arbeitsstellen (Arbeitsentgelt, Mobilität zwischen den einzelnen Beschäftigungsstatus, Sektoren und Vertragsarten) hat sich verbessert, doch sind Personen mit Migrationshintergrund an Arbeitsstellen geringerer Qualität und kürzerer Dauer weiterhin unverhältnismäßig stark vertreten. Sie werden häufig arbeitslos oder sind oft als Leiharbeitnehmer oder Arbeiter beschäftigt. Noch schwieriger gestaltet sich die Arbeitssuche für die Betroffenen, wenn sie höchstens einen Mittelschulabschluss (untere Sekundarstufe) haben, älter als 55 Jahre sind, Frau/Mutter sind oder noch nicht lange in Belgien leben.

Die Covid-19-Pandemie bestätigt die Unsicherheit der Arbeitsplätze

Die Analyse des Arbeitsmarktes 2020 zeigt, dass Personen ausländischer Herkunft in geringerem Maße im Home-Office arbeiten durften und somit einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren und dass sie stärker in Sektoren vertreten waren, die schließen mussten. Dementsprechend haben sie häufiger ihre Arbeitsstelle verloren, und es fiel ihnen schwerer, wieder eine Beschäftigung zu finden. Noch komplizierter war die Situation für Betroffene mit Mittelschulabschluss und für Niedriglohnbeziehende.

Neue Themen für spezifische Herausforderungen

Die neue Ausgabe des Sozioökonomischen Monitorings richtet auch den Fokus auf den schulischen Rückstand, der den Zugang zur Hochschulbildung bremst und die Beschäftigungsquote anschließend nachteilig beeinflusst. So offenbart der Bericht die Diskrepanz zwischen einerseits Personen belgischer Herkunft, von denen mehr als 72 % ihren Sekundarschulabschluss ohne schulischen Rückstand schaffen, und andererseits Personen ausländischer Herkunft, bei denen dieser Prozentsatz unter 40 % liegt.

Das Monitoring befasst sich überdies mit der zunehmenden Entsendung: 2020 waren 21 % der entsandten Arbeitnehmer außereuropäischer Herkunft, gegenüber lediglich 8 % im Jahr 2010. Entsandt werden sie meist von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem der EU-15-Mitgliedstaaten, allen voran die Niederlande (26 %), gefolgt von Portugal (7 %), Frankreich (5 %) und Deutschland (4 %). Die Entsendung ändert grundlegend den Umfang und insbesondere das Profil der Migration von Arbeitskräften in Länder wie Belgien.

Ein ganzheitlicher Ansatz, der den Unterschied macht

Der Weg zu einem inklusiven und nicht diskriminierenden Arbeitsmarkt ist noch weit. Der Bericht zeigt, dass dieses facettenreiche Phänomen einen ganzheitlichen Ansatz erfordert, der zwischen den einzelnen Behörden konzertiert und in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern angegangen wird. Zur Lösung bedarf es einer verbesserten Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, einer stärkeren Beachtung des Problems der Segmentierung und des Qualitätsgefälles der Arbeitsstellen, eines stärkeren Bildungssystems, das jedem Erwerbssuchenden Chancen eröffnet, sowie einer gezielten Migrations- und Integrationspolitik.

„Auch die Unternehmen müssen verstärkt zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt beitragen, indem sie entsprechende Antidiskriminierungsrichtlinien für jeden Aspekt und Schritt in der Arbeitsbeziehung aufstellen und über die Diversität ihres Personals wachen“, betont Patrick Charlier, Direktor von Unia. „Hierbei können die Arbeitgeber Unia oder auch andere Stellen wie die Dienste für Gefahrenverhütung und Schutz (Wohlbefinden) am Arbeitsplatz um Unterstützung bitten, sei es für eine Risikoanalyse oder zur Ausarbeitung konkreter Präventionsmaßnahmen gegen Diskriminierung.“

Dieser Bericht liegt in Französisch und Niederländisch vor.

Vergleichbare Artikel

7 Mai 2024

EU-Richtlinie soll Bürger besser vor Diskriminierung schützen

Unia begrüßt die Annahme der Richtlinie über Standards für Gleichstellungsstellen durch den Rat der Europäischen Union am 7. Mai unter der belgischem Vorsitz. Dies ist eine bedeutende Richtlinie im aktuellen politischen Kontext, da sie Standards festlegt, um die Unabhängigkeit von Gleichbehandlungsstellen wie Unia zu gewährleisten, ihnen ausreichende Ressourcen zu sichern sowie ihr Mandat und ihre Befugnisse zu stärken.

12 Juni 2018

Mehr Fälle von Diskriminierung im Bereich Arbeit bei Unia im Jahr 2017

Im letzten Jahr bearbeitete Unia insgesamt 2.017 Fälle von Situationen, in denen sich Personen diskriminiert fühlten. Das ist ein Anstieg von 6 Prozent gegenüber 2016 (1.097 Fälle). Die meisten Fälle bezogen sich auf Diskriminierung im Bereich Arbeit. Dieser Trend zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt zu oft auf traditionelle Profile fokussiert und so das Ungleichgewicht in der Gesellschaft vervielfacht.