Diskriminierung aufgrund einer politischen Überzeugung
Ein Kind wird aufgrund der politischen Überzeugung seiner Eltern ungleich behandelt. Ein Angestellter wird wegen „ideologischer Unverträglichkeit“ entlassen. Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung kann in vielen Bereichen vorkommen und verschiedene Formen annehmen.
Definition
Unter „politischer Überzeugung“ ist die Befürwortung einer politischen Denkströmung zu verstehen, ohne dass man hierfür einer politischen Partei angehören muss.
Die Freiheit, politische Überzeugungen friedlich zu äußern, ist ein Grundrecht, das unter gewissen Umständen genau definierten Einschränkungen unterworfen sein kann.
Beispiele
- Ein Arbeitnehmer wurde entlassen, weil er Mitglied einer rechtsextremen Partei ist.
- Eine Pflegefamilie lehnte ein Kind wegen der politischen Überzeugung seiner Eltern ab.
- Einem Angestellten wurde die Beförderung verweigert, weil er Mitglied einer linksextremen Partei ist.
- Die Geschäftsführerin einer nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation bot einem Studenten einen Ersatzvertrag als Angestellter an. Während der Probezeit beschloss die Geschäftsführerin jedoch, den Vertrag zu kündigen, als sie erfuhr, dass der neue Angestellte zuvor eine öffentliche Funktion in einer rechtsextremen Partei innehatte.
- Die Leiterin einer Gewerkschaft hatte eine neue Arbeitskraft (m/w/x) für die informatische Verwaltung des EDV-Systems eigestellt. Als die Leiterin erfuhr, dass der neue Mitarbeiter Mitglied einer bestimmten Partei ist, obwohl dies nach berufsethischen Regeln verboten ist, beschloss sie, den Mitarbeiter „wegen ideologischer Unverträglichkeit“ zu entlassen. Die Gewerkschaft machte ihren Status als „Tendenzbetrieb“ geltend. Der entlassene Angestellte klagte wegen Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass hier die Grundrechte des Arbeitnehmers gegen die Rechte des Arbeitgebers abgewogen werden müssen. Dem Gerichtshof zufolge ist die Gewerkschaft ein Unternehmen, das sich durch eine Identität kennzeichnet, also ein Tendenzbetrieb (nur FR oder NL: auch Tendenzunternehmen genannt).
Der entlassene Angestellte hatte durch seine Funktion Zugriff auf das gesamte Informatiksystem. Es mag sein, dass er seine Mitgliedschaft in der betreffenden Partei aufgegeben hatte, doch nicht unbedingt seine Sympathie für diese Ideologie (Arbeitsgerichtshof Brüssel, 4. Oktober 2011 - nur FR oder NL).
Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung und Recht auf freie Meinungsäußerung im Gesetz
Das Recht auf freie und friedlich Äußerung der Meinung und der politischen Überzeugung zählt zu den Grundrechten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der belgischen Verfassung verankert. Dieses Recht ist eine der Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Andererseits gilt auch, dass eine Freiheit, selbst eine Grundfreiheit, niemals absolut ist. Sie kann also gewissen Einschränkungen unterworfen sein. Solche Einschränkungen müssen jedoch klar und deutlich festgelegt und begründet werden und zudem angemessen sein.
Das geltende Antidiskriminierungsrecht besagt auch, dass eine ungleiche Behandlung aufgrund der politischen Überzeugung verboten ist, sofern sie nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zu diesem Ziel geeignet und notwendig sind.
Hinzu kommt, dass so genannte „Tendenzbetriebe“ (politische Parteien, Gewerkschaften, Kultvereine ...) für gewisse Funktionen verlangen dürfen, dass die Bewerber und Bewerberinnen die gleichen ethischen Vorstellungen wie die betreffende Organisation haben.
Was ist ein Tendenzbetrieb?
- Ein Tendenzbetrieb (auch Tendenzunternehmen genannt) stellt eine Ausnahme zur Regel des Diskriminierungsverbots dar. Ansonsten muss er sich strikt an den in den Gesetzestexten abgesteckten Rahmen halten.
- Tendenzbetriebe dürfen also von einem Stellenbewerber verlangen, dass er oder sie sich mit der Ethik des Unternehmens oder der Einrichtung identifiziert. Das heißt, sie dürfen eine verlässliche Einstellung und Loyalität gegenüber den Grundwerten der Organisation verlangen. Hierbei handelt es sich um eine besondere Anwendung des Begriffs der wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung (nur FR oder NL). Eine politische Partei kann von ihren Beauftragten beispielsweise verlangen, der Partei beizutreten, weil sie Zugang zu strategisch sensiblen Informationen haben.
- Ein Tendenzbetrieb kann angesichts der Identität, die den Betrieb kennzeichnet, keine Neutralitätspolitik anwenden. Dennoch kann er eine Diversitätspolitik führen, die dieser Identität Rechnung trägt.
Es gibt 2 Arten von Organisationen, die den Status eines Tendenzbetriebs geltend machen können:
- Organisationen, deren wesentlicher Zweck es ist, eine Religion oder Weltanschauung zu fördern.
- Organisationen, deren Tätigkeiten in einer Ethik gründen.
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